Wie man die Fahrzeughistorie vor dem Kauf überprüft: Ein Leitfaden für Gebrauchtwagenkäufer
Der Kauf eines Gebrauchtwagens kann eine kluge Entscheidung sein, um Geld zu sparen und ein gutes Fahrzeug zu finden. Doch unter der glänzenden Oberfläche kann sich manchmal eine unschöne Vergangenheit verbergen – von verschwiegenen Unfällen über manipulierten Tachostand bis hin zu unbezahlten Schulden. Eine gründliche Überprüfung der Fahrzeughistorie ist daher absolut unerlässlich, um sich vor teuren Überraschungen und Betrug zu schützen. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie die Geschichte eines Gebrauchtwagens systematisch überprüfen können.
Warum ist die Fahrzeughistorie so wichtig?
Die Fahrzeughistorie gibt Aufschluss über wichtige Aspekte, die den Wert, die Sicherheit und die Zuverlässigkeit eines Autos maßgeblich beeinflussen:
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Unfallschäden: Wurde das Fahrzeug in der Vergangenheit in einen Unfall verwickelt und professionell repariert oder nur notdürftig instand gesetzt?
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Tachomanipulation: Wurde der Kilometerstand zurückgedreht, um einen höheren Verkaufspreis zu erzielen?
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Wartung und Pflege: Wurde das Fahrzeug regelmäßig gewartet und gepflegt? Eine lückenhafte Wartungshistorie kann auf zukünftige Probleme hindeuten.
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Vorbesitzer: Wie viele Vorbesitzer hatte das Fahrzeug? Viele Besitzer in kurzer Zeit können ein Warnsignal sein.
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Diebstahl oder Betrug: Ist das Fahrzeug als gestohlen gemeldet oder gibt es offene Finanzierungen (z.B. Leasing oder Kredit)?
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Rückrufe: Gab es herstellerseitige Rückrufaktionen, die am Fahrzeug durchgeführt wurden?
Schritte zur Überprüfung der Fahrzeughistorie
Es gibt verschiedene Wege und Quellen, um die Historie eines Gebrauchtwagens zu durchleuchten. Eine Kombination aus mehreren Methoden bietet die größte Sicherheit.
1. Verkäufer und Fahrzeugpapiere
Der erste Anhaltspunkt ist immer der Verkäufer selbst und die Dokumente, die er vorlegt.
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Zulassungsbescheinigung Teil I und II (Fahrzeugschein und Fahrzeugbrief): Prüfen Sie die Daten sorgfältig. Stimmen die Angaben mit dem Fahrzeug überein? Achten Sie auf die Anzahl der Vorbesitzer in Teil II.
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Serviceheft/Scheckheft: Ein lückenlos geführtes Serviceheft mit allen Stempeln und Eintragungen der Werkstätten ist ein sehr gutes Zeichen. Es gibt Aufschluss über den Kilometerstand bei den jeweiligen Wartungen und die durchgeführten Arbeiten. Achten Sie auf Stempel von Markenwerkstätten.
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TÜV-/HU-Berichte: Diese Berichte dokumentieren den Kilometerstand bei jeder Hauptuntersuchung. Vergleichen Sie diese Angaben mit dem aktuellen Tachostand. Größere Sprünge nach unten sind ein starkes Indiz für Manipulation.
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Reparaturrechnungen und Belege: Zusätzliche Rechnungen von Werkstätten über Reparaturen, Ersatzteile oder Inspektionen können die Historie weiter ergänzen und belegen, welche Arbeiten durchgeführt wurden.
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Kaufvertrag/Privatverkauf: Im Kaufvertrag sollte klar vermerkt sein, dass das Fahrzeug unfallfrei ist (falls zutreffend) und der Kilometerstand nach bestem Wissen und Gewissen angegeben wird.
Tipp: Achten Sie auf Ungereimtheiten zwischen den Dokumenten und dem Zustand des Fahrzeugs. Wenn das Scheckheft lückenhaft oder gar nicht vorhanden ist, sollten Sie misstrauisch werden.
2. Online-Dienste zur Fahrzeughistorie (VIN-Check)
Spezialisierte Online-Dienste bieten gegen eine Gebühr umfassende Informationen zur Fahrzeughistorie, basierend auf der Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN oder VIN). Die FIN finden Sie in der Zulassungsbescheinigung Teil I und II sowie am Fahrzeug selbst (oft an der Windschutzscheibe, im Motorraum oder am Türrahmen).
Bekannte Anbieter in Deutschland und Europa sind beispielsweise:
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Carfax / autoDNA: Diese Dienste greifen auf internationale Datenbanken zu und können Informationen über Unfälle, Diebstahl, Rückrufe, Kilometerstände (aus Werkstattberichten, Versicherungsdaten) und Vorbesitzer liefern. Die Daten stammen oft aus verschiedenen Ländern.
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VIN-Decoder: Manche Webseiten bieten kostenlose VIN-Decoder an, die grundlegende Informationen wie Marke, Modell, Baujahr und Ausstattung liefern. Für eine detaillierte Historie sind jedoch kostenpflichtige Dienste notwendig.
Vorteile: Diese Dienste bieten einen schnellen und relativ umfassenden Überblick über die Vergangenheit des Fahrzeugs, der über die vom Verkäufer bereitgestellten Informationen hinausgeht.
Nachteile: Sie sind nicht kostenlos und die Verfügbarkeit der Daten hängt von den Quellen ab, auf die der jeweilige Dienst zugreifen kann. Eine 100%ige Garantie auf Vollständigkeit gibt es nie.
3. Begutachtung durch Sachverständige oder Werkstätten
Ein unabhängiger Blick vom Fachmann ist oft Gold wert.
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Dekra, TÜV oder ADAC: Sie bieten Gebrauchtwagen-Checks an, bei denen das Fahrzeug auf technische Mängel, Unfallschäden und den allgemeinen Zustand geprüft wird. Dabei wird oft auch der Kilometerstand überprüft und mit der Historie abgeglichen.
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Vertragswerkstatt: Wenn es sich um ein Fahrzeug einer bestimmten Marke handelt, können Sie mit der FIN bei einer Vertragswerkstatt nachfragen, ob dort Wartungs- oder Reparaturhistorien hinterlegt sind. Dies ist oft nur mit Zustimmung des aktuellen Halters möglich.
Vorteile: Ein Sachverständiger kann Mängel erkennen, die einem Laien entgehen würden. Dies bietet zusätzliche Sicherheit und kann Ihnen bei Preisverhandlungen helfen.
Nachteile: Diese Prüfungen sind kostenpflichtig und erfordern einen Termin.
4. Diebstahl- und Finanzierungsprüfung
Bevor Sie ein Fahrzeug kaufen, sollten Sie auch prüfen, ob es als gestohlen gemeldet ist oder ob noch offene Finanzierungen darauf lasten.
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Polizei: Bei der Polizei können Sie anfragen, ob ein Fahrzeug als gestohlen gemeldet ist. Dies ist jedoch oft nur im Verdachtsfall oder mit einem berechtigten Interesse möglich.
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Zentrales Fahrzeugregister (ZFZR): Das ZFZR beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) führt Register über Fahrzeuge und deren Halter. Informationen können jedoch nicht ohne Weiteres von Privatpersonen abgerufen werden.
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Sicherungsübereignung: Ein Problem bei Gebrauchtwagen ist die sogenannte "Sicherungsübereignung". Wenn der Vorbesitzer das Auto über einen Kredit finanziert und dafür das Fahrzeug als Sicherheit hinterlegt hat, gehört es rechtlich der Bank, bis der Kredit abbezahlt ist. Wird das Auto verkauft, bevor der Kredit getilgt ist, kann die Bank das Fahrzeug vom Käufer zurückfordern. Fragen Sie den Verkäufer nach der Abmeldung des Fahrzeugs und ob das Fahrzeug schuldenfrei ist. Bei einem seriösen Kauf wird Ihnen der Fahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung Teil II) erst nach vollständiger Bezahlung ausgehändigt.
5. Der persönliche Eindruck und Bauchgefühl
Neben all den technischen und dokumentarischen Prüfungen sollten Sie auch Ihrem Bauchgefühl vertrauen.
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Verkäuferverhalten: Ist der Verkäufer offen und ehrlich? Beantwortet er alle Fragen bereitwillig? Wirkt er seriös?
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Fahrzeugzustand: Passt der Zustand des Fahrzeugs zum angegebenen Kilometerstand? Ein Auto mit sehr geringem Kilometerstand, das aber viele Abnutzungserscheinungen (z.B. am Lenkrad, Pedalen, Sitzen) zeigt, ist verdächtig.
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Probefahrt: Eine ausgiebige Probefahrt (mindestens 30 Minuten, über verschiedene Strecken) ist unerlässlich, um das Fahrverhalten, Motorgeräusche, Bremsen und Getriebe zu testen.
Gründlichkeit zahlt sich aus
Der Kauf eines Gebrauchtwagens ist eine Vertrauensfrage, aber Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Eine umfassende Überprüfung der Fahrzeughistorie vor dem Kauf mag zeitaufwendig erscheinen, aber sie ist eine Investition in Ihre Sicherheit und Ihren Geldbeutel. Sie schützt Sie vor Betrug, unerwarteten Reparaturkosten und der Enttäuschung, ein "Montagsauto" gekauft zu haben. Nehmen Sie sich die Zeit, nutzen Sie alle verfügbaren Ressourcen und zögern Sie nicht, im Zweifelsfall einen Experten hinzuzuziehen. So finden Sie den richtigen Gebrauchtwagen, der Ihnen lange Freude bereiten wird!